Die Aschendorfer Drei-Krippen-Kirche

Die Zeit zwischen Weihnachten und dem Drei-Königs-Fest wird von interessierten Zeitgenossen gern auch für einen Besuch der Weihnachtskrippen in den Kirchen genutzt. In der kath. St.-Amandus-Kirche in Aschendorf besteht nun die besondere Möglichkeit, bei einem Besuch gleich drei Krippen sehr verschiedenen Alters und ganz unterschiedlicher Herkunft in Augenschein nehmen zu können.

Die älteste Krippe ist eine über 500jährige hölzerne Reliefdarstellung, die einst im Verbund mit weiteren Relieftafeln einen gotischen Altar zierte, dann aber um das Jahr 1500 bei der Barockisierung der zuvor gotischen Kirchenausstattung weichen musste, und nach wechselnden anderen, dabei gelegentlich auch abwegigen Verwendungen, die von Kreuzwegtafeln bis zur Orgelbrüstung reichten, nun nach einer sich über mehrere Jahrhunderte hinziehenden Odyssee an ihren Ursprungsort zurückgekehrt ist. Diese Wandkrippe, vor einigen Jahren in Paderborn aufwendig restauratorisch aufgearbeitet und durch die Entfernung diverser Farbschichten und Gipsreste weitestgehend in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt,  ziert die linke der drei mächtigen Sandsteinstelen hinter dem Altar im historischen Teil der Kirche. Im Verbund mit weiteren ehemaligen Altarreliefs fand die Krippendarstellung dort zusammen mit einigen der späteren Passion vorangegangenen Szenen aus dem Leben Jesu ihren Platz. Die Darstellung zeigt mittig unten das Jesuskind, seitlich darüber Maria und Joseph und oberhalb dieser Personen, fast versteckt anmutend, auch die Köpfe von Ochs und Esel. Von dem bisherigen guten Brauch, diese Reliefkrippe in der Weihnachtszeit mit einer Tannengrünumkränzung besonders hervorzuheben, wurde nun abgesehen. Der Grund liegt darin begründet, dass 2019 erstmalig eine zusätzliche Krippe ihren Platz in der Kirche gefunden und deutlich wahrnehmbar im näheren Umfeld der Reliefkrippe ihren Stellplatz  hat.

Diese neue und zweite Krippe, dekorativ unter einer heimischen Fichte auf  reichlich Strohstreu dargeboten, ist als Besonderheit mit einer Umrandung maritimen Charakters aus Schiffstauen und kleinen Pollern umgeben, die auf die Nähe zum Wasser verweisen und gedanklich als Bezug zur nahen Ems gedeutet werden können. Die Anzahl der Krippenfiguren beschränkt sich auf den inneren Kreis der drei Hauptpersonen jeder Krippendarstellung, nämlich das Jesuskind, seine Mutter Maria und den Ziehvater Joseph des hl. Kindes in der Krippe. Die Figuren gehörten über viele Jahre zur Ausstattung der erst vor nicht langer Zeit profanisierten Kapelle in der ehemals eigenständigen und jetzt mit zum „Marien Hospital Papenburg Aschendorf“ gehörenden Aschendorfer Klinik. Die in einheitlich hellem Holzton gehaltenen Schnitzfiguren entstammen traditionsreicher Oberammergauer Provenienz. Sie wurden einst von Bediensteten des Krankenhauses beschafft und finanziert. Und auch jetzt setzten sich wieder engagierte, ehemalige Klinikbedienstete mit für eine wertschätzende Weiterverwendung der ihnen ans Herz gewachsenen Krippe ein, die hier einen würdigen Platz einnimmt.

Die dritte und zugleich bedeutendste und aufwendigste Krippe steht indes im neuen Teil der Amanduskirche, der auch vom alten Teil der Kirche her durch Türen in der gläsernen Trennwand zugänglich ist. Als Krippenstall dient dabei ein vom örtlichen Heimatverein rechtzeitig zum 300jährigen „Jubiläum“ aufwendig und fachgerecht restaurierter barocker Beichtstuhl von 1714, worauf die beidseits über den Plätzen der Beichtenden eingearbeitete zweigeteilte Jahreszahl in den geschnitzten Kranzleisten hinweist. Das weitflächige in kindgerechter Schauhöhe auf einem Podest angelegte Krippenfeld bietet Platz für diese vielfigurige Krippe im byzantinischen Stil, die sich seitlich der Licht durchfluteten Glaswand gut einfügt. Die bis zu einem halben Meter großen und gut hundert Jahre alten Figuren stammen aus der Zeit der letzten  Jahrhundertwende des vorigen Jahrtausends. Sie bestehen aus Holz, sind farbig gefasst und wurden damals vermutlich im Handel erworben. Besondere Aufmerksamkeit verdient bei dieser Krippe der seltene und wegen seiner Reichhaltigkeit besonders erwähnens- und sehenswerte Dreikönigszug. Anders als erwartet und auch allgemein üblich erreicht dieser ansehnliche aus einem Elefanten, zwei Kamelen nebst zugehörigen Treibern und einem Reitpferd bestehende Reisetross nämlich bereits zu Weihnachten die Krippe, während die Hl. Drei Könige als die Hauptpersonen dieser herrschaftlichen Reisegesellschaft erst wie üblich zum Dreikönigstag am 6. Januar nachfolgen, allerdings ohne ihre offenbar aus unerklärlichem Grunde vorausgeeilten Reittiere. Besonders bei Krippenführungen für Kinder hat diese Besonderheit unterschiedlicher Ankunftszeiten von Königen und Gefolge manchen Krippenführer schon in arge Erklärungs- und Begründungsnot gebracht. Anders die Lage bei den Schafen. Die im Umfeld der Krippe weilende kleine Herde umfasst rund zehn Tiere unterschiedlicher Herkunft und zeigt im Verhältnis zu den bei den Tieren weilenden vier Hirten unterschiedlichen Alters, dass ein Arbeitskräftemangel, wie wir ihn heute beklagen, damals ganz offenkundig (noch) nicht bestand. Das sprichwörtliche „Schwarze Schaf“ gehört auch zur Herde, die so ein recht reales Bild der Gemeindeschäfchen widerspiegelt. Wer sich geneigt und angesprochen fühlt, dem Kind in der Krippe seine Sorgen oder Beschwernisse mitzuteilen, kann dies im Vertrauen auf Verschwiegenheit „sub rosa“ (wörtlich „unter der Rose“ mit der Bedeutung „unter dem Siegel der Verschwiegenheit“) tun, worauf der über dem Priestersitz des Beichtstuhls angebrachte hölzerne Blütenkranz aus stilisierten Rosen symbolisch hinweist.

Ein letzter Blick sei dem kleinen Kreuz gewidmet, das seit einigen Jahren kaum wahrnehmbar und deshalb häufig übersehen über dem Kind in der Krippe schwebt. Dieses kleine, aber sehr ausdruckstarke Kreuz besteht aus zusammengeschweißten, schmiedeeisernen Hufnägeln. Das Kreuz soll zum einen ein früher Hinweis auf die spätere Passion des Kindes in der Krippe sein. Zum anderen steht es seiner besonderen Art nach in Anlehnung an das Nagelkreuz von Coventry als Zeichen für eine völkerweite Versöhnung. Krippe und Kreuz bilden keinen Gegensatz, sondern bedingen einander!

Eine Komplettierung des Figurenkanons durch einen Verkündigungsengel und die Auswechselung des Herrnhuter Sterns über der Krippe gegen einen m. E. die Krippe besser ergänzenden traditionellen Stern mit Schweif wären für die Zukunft dieser herrlichen Krippe, die alljährlich viele Besucher anzieht, überdenkenswert.

Machen Sie sich also auf den Weg und erkunden selbst die vorgestellten Krippen. Werfen Sie bei dieser Gelegenheit auch einen Blick hinauf zu dem weit ins Land strahlenden prächtigen Stern auf dem Kirchturm, der damals den „Drei Weisen aus dem Morgenland“ und heute uns und allen Menschen guten Willens den Weg zur Krippe weist.

Anmeldungen für Krippenführungen von Personengruppen sind nach Anmeldung möglich und werden von dem Kirchen- und Krippenführer Hans-Ulrich Feller (Tel. 04962/1595) gern entgegengenommen.  Die nächste öffentliche Führung findet am 12.01.2020 um 16:00 Uhr in der Amanduskirche statt. Dazu ist jeder herzlich eingeladen.

Gloria et Pax (lat. „Ruhm und Frieden“; internationaler Gruß der Krippenfreunde)!   

Hans-U. Feller    

Weihnachtsvorfreude einmal anders: Charles-Dickens-Festival in Deventer/NL

Es gibt viele Möglichkeiten, die Adventszeit zu gestalten. Dazu gehören zumeist auch Besuche der aller Orten anzutreffenden Weihnachtsmärkte. Eine andere Möglichkeit vorweihnachtlicher Freude bietet indes ein Blick über die Landesgrenze hinweg, verbunden mit dem Besuch des alljährlich an zwei Tagen im Dezember in Deventer/Niederlande stattfindenden „Charles-Dickens-Festijn“.

In bereits über zwanzigjähriger Tradition wird dann die Erinnerung an diesen  britischen Schriftsteller von großer literaturgeschichlicher Bedeutung, seine Zeit des 19. Jahrhunderts und seine Romanfiguren gepflegt. An den beiden Festivaltagen steht Deventer im Dickens-Fieber quasi Kopf! Rund 1.000 historisch gewandete Personen verkörpern die damaligen Stände der britischen Heimat des berühmten Autors, angefangen beim englischen Adel, über das etablierte Bürgertum bis hin zu Dirnen und gelegentlich dem Alkohol im Übermaß zusprechendes Gesindel bevölkern die Straßen und Gassen im Zentrum der Stadt und verbreiten in gekonnt schauspielernder Manier einen ganz besonderen Charme. Diese besondere Atmosphäre ist es, die alljährlich für über 100.000 (!) Besuchern eine Augenweide ist, die ihresgleichen sucht und überdies Fotofreunden eine Fülle besonderer Motive beschert.

Zudem besticht die Veranstaltung durch freien Eintritt und eine bis in die Details hinein als hervorragend zu lobende Organisation, die es schafft, dass sich die Besucher in das Zeitalter von Dickens mit allen  Facetten damaligen Stadtlebens mitgenommen fühlen und sich nicht als bloße Zuschauer eines Massenspektakels wähnen. Einige Eindrücke dazu vermitteln die in meinen Bericht eingefügten Fotos, die allerdings die dargebotene Vielfalt des Geschehens nur andeutungsweise widerspiegeln können.

Ein zeitgleich zum Festival ebenfalls im Zentrum von Deventer stattfindender Wochen- und Weihnachtsmarkt, der eigens durch einen Bauzaun vom Festivalgeschehen getrennt ist, aber ebenfalls unkompliziert mit besucht werden kann, lässt Weihnachtsvorfreude der gewohnten Art aufkommen und lädt zu einem Bummel ein, den, wer mag, noch durch einen Gang durch die weihnachtlich dekorierten Geschäftsstraßen fortsetzen kann. An gastlichen Orten zur Einkehr mangelt es nicht, weder im Außenbereich noch im Innern der zahlreichen gastronomischen Möglichkeiten, die die Stadt bietet, und die nicht nur fußmüde gewordene Besucher bei einer Pause und zur Stärkung zu schätzen wissen.

Alles in allem: Das Charles-Dickens-Festival ist ein romantisches und bezauberndes vorweihnachtliches Erlebnis eigener Art und auf jeden Fall eine (Tages-) Reise – auch mit größeren Kindern – ins Nachbarland wert, die vielfach auch als Bustouren angeboten wird. Wer das Ereignis bisher nicht kannte oder den Termin in diesem Jahr verpasst hat, sollte sich bereits jetzt den 19./20. Dezember für 2020 im Kalender vormerken und darf sich auf einmaliges Erlebnis freuen!

Hans-U. Feller

Wenn der Bischof ruft …

In der Adventszeit 2019 unternahmen Mitglieder des historischen Arbeitskreises im Heimatverein Aschendorf-Hümmling e.V., dem Dachverband der örtlichen Heimatvereine im nördlichen Emsland, eine Studienfahrt nach Osnabrück. Der historische Arbeitskreis trifft sich  im Winterhalbjahr immer an Samstagvormittagen im „Bürgerhaus Alte Schule“ in Niederlangen zu Arbeitsgesprächen, in denen sich die Teilnehmer mit regionaler und lokalerGeschichte allgemein, aber auch mit Spezialthemen und der Erweiterung der Kenntnisse im Lesen und der Deutung alter Handschriften und Urkunden befassen. Seitens des HBV gehören dem Arbeitskreis Gerd Harpel und Hans-Ulrich Feller an.

Veranlassung für den Besuch Osnabrücks gab das Teilnehmerinteresse an einer Besichtigungdes Diözesanarchivs. Dessen Leiter Dr. Georg Wilhelm entsprach diesem Wunsch auf Anfrage gern und gab in einem gut zweistündigen Archivrundgang gut strukturiert und kenntnisreich Einblicke in das Archivwesen und seine Arbeit. Wilhelm bezeichnete das Archiv salopp als „das Gedächtnis des Bistums“, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass bereits aus Platzgründen nur rd. 20% des anfallenden Schriftguts als archivwürdig eingestuft werden und schließlich in säurefreien Archivboxen und -hüllen landen, die wiederum in großen, platzsparenden Rollregalanlagen gut gesichert und geschützt gelagert werden. Die Einhaltung und Überwachung normierter Luftfeuchte- und Temperaturwerte ist dabei unerlässlich. Selbst eine Besuchergruppe hat Auswirkungen und bewirkt bereits eine Änderung der Klimawerte.

Älteste Urkunden des Archivs datieren aus der Zeit Karls des Großen. Sie werden einzeln und besonders sorgfältig unter Lichtausschluss gelagert und nur wenn nötig und auch dann nurkurz dem Tageslicht ausgesetzt und dürfen wegen der Schweissabsonderungrn der Hände nur fachgerecht mit Archivhandschuhen aus weißer Baumwolle berührt werden. Interessant auch der Hinweis, dass es bereits in früherer Zeit in den damaligen Skriptorien in durchaus auch größerem Stil zu nachträglichen Fälschungen von Urkunden gekommen ist, zumeist um dadurch günstigere Rechtspositionen vorzutäuschen.

Für viele Teilnehmer interessant waren Hinweise, dass die Kirchenbücher der zum Bistum gehörenden Pfarreien nunmehr auch digitalisiert und online zur Verfügung stehen und ergiebige Fundgruben besonders für die Familienforscher darstellen. Darüber hinaus steht das Archiv  für die wissenschaftliche und auch die heimatkundliche Forschung offen und verfügt dafür eigens über einen mit der notwendigen Technik ausgestatteten Leseraum. 

Persönliche Besuche des Bischofs im Archiv sind eher selten und blieben bisher auf repräsentative Anlässe beschränkt, erläuterte Dr. Wilhelm auf eine Teilnehmernachfrage.Sofern der Bischof  Archivmaterial einsehen möchte, melde er sich und lässt sich die Akten vorlegen.

Nach einem anschließenden Mittagsspaziergang über den Weihnachtsmarkt auf dem Domvorplatz und im Schatten der ev. Marienkirche traf sich die Gruppe am Nachmittag vor dem Dom zu einer Führung mit Sr. Margaretha Maria Brand, aus Heede stammend und ehemals Generaloberin der Thuiner Franziskanerinnen, die gleichermaßen kenntnisreich und unterhaltsam baugeschichtliche Bedeutsamkeiten und künstlerische Besonderheiten der Innenausstattung der Bistumskathedrale erläuterte. Dabei durften der Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der beiden Westtürme und ein Blick auf die imposante Fensterrose über dem Westportals des Doms nicht fehlen. Ein Blick auf die in den Vorplatz des Doms eingelassene Bronzeplatte zur Erinnerung an den am Tage seiner Bischofsweihe 1957 dort verstorbenen Franziskus Demann  weckte Erinnerungen an den als „Bischof für einen Tag“ in die Bistumsannalen von Osnabrück eingegangenen Oberhirten und macht auch heute noch nachdenklich. 

Als älteste Ausstattungsstücke des Dominventars nannte Sr. Margaretha Maria die bronzene Taufe von 1220, die sie in der eigens aufgeschlossenen Taufkapelle eingehend erläuterte, und das imposante und ausladend große Triumpfkreuz von 1230 über dem Chorraum. Kenntnisreiche Erläuterungen zu der Bronzebüste des 1988 seliggesprochenen Niels Stensen und das auf dem Kopf stehende bronzene Wandkreuz mit den Reliefs der vier Lübecker Märtyrer im Querbalken vervollständigten die Betrachtung der Statuen und Gedenktafeln. Ebenfalls detaillierte und interessante Hinweise auf das aus sechs Glocken bestehende Vollgeläut des Doms und die beeindruckende Orgel mit der im Nachmittagslicht leuchtendenFensterrose im Hintergrund beeindruckten die aufmerksamen Teilnehmer ebenfalls.

Der als Klappaltar konstruierte Hochaltar und sein goldstrahlender Bilderzyklus fanden ebenso ausführliche Würdigung wie der Bischofssitz und das Chorgestühl mit verwunderlichen Schnitzfiguren. Die eingehende Besichtigung und Erläuterung der künstlerischen Ausgestaltung der Sakramentskapelle gab den Teilnehmern neue Einblicke,und der anschließende Rundweg durch den Chorumgang mit der Besichtigung der Grablegen der  Bischöfe und dem Blick auf die Kapelle, in der die Kannen mit den heiligen Ölen aus der sog. Chrisam-Messe des Gründonnerstags aufbewahrt werden, rundete das beeindruckende Erlebnis dieser besonderen Domführung  ab.

Hans-U. Feller