Erinnerungen an gestern und vorgestern, diesmal aus der Sicht eines Kutschenbauers

Es war nicht einfach, wenn um die Zeit der vorletzten Jahrhundertwende in einem kleinen emsländischen Dorf schnell ärztliche Hilfe benötigt wurde, weil beispielsweise der sehnlichst erwartete Hofnachfolger ausgerechnet in einer stürmischer Novembernacht ins Leben strebte, und sich das mit heftigen Wehen der Mutter ankündigte. Ein Arzt war nur in den größeren Orten ansässig, die Notrufnummer 112,  heute jedem Schulkind geläufig, gab es noch nicht, und über die damals fortschrittliche technische Errungenschaft des Telefons verfügten allenfalls der Bürgermeister und vielleicht  noch der örtliche Kolonialwarenladen als zugleich öffentliche, amtliche Sprechstelle des Dörfchens. Aber selbst wenn es unter den geschilderten nicht eben einfachen Umständen dann gelang, den Arzt zu erreichen, verging noch eine kleine Ewigkeit, bis der Heilberufler endlich vor Ort sein konnte und fachkundig Hilfe zu leisten vermochte. Sofern der Doktor, was glücklicherweise meistens zutraf, ortskundig war, und er über eine sog. Doktorkutsche verfügte, konnte er in aller gebotenen Eile seinen Braunen oder Schwarzen anspannen und musste in vielleicht sternloser Dunkelheit der Novembernacht, begleitet von Sturm und Regen und im ständigen Kampf mit den von widrigen Witterungsbedingungen entsprechend aufgeweichten Wegen an den Ort der Hilfeleistung eilen, nicht vergessend, vorher noch die beiden Kutschlaternen anzuzünden, damit sie mit ihrem spärlichen Licht Pferd und Kutscher wenigstens notdürftig den Weg erhellen konnten und das Gefährt auch für andere erkennbar machten. Und jenen, die in ihrer Not bereits nach der Doktorkutsche Ausschau hielten, war damit auch gedient, weil sie das sich nähernde Fahrzeug bereits von weitem erkannten.

IMG_0223IMG_0209

 

 

 

 

 

 

 

Wenn Sie sich, liebe Leserin, lieber Leser,  so eingestimmt, etwas näher mit dem heute nur noch selten ausgeübten Handwerk des Kutschenbauers beschäftigen möchten, lade ich Sie herzlich ein, den Bericht über eine Gruppe von Freunden alten Handwerks zu lesen, die sich kürzlich aufmachte, den in Völlen wohnhaften und im Internet unter dem Namen „Kutschen-Karl“ auffindbaren Karl Leffers zu besuchen und dabei im wahrsten Sinne des Wortes Glanzstücke hervorragend restaurierter Kutschen verschiedenster Typen zu Gesicht bekam.

Hans-U. Feller

Comments are closed.

Post Navigation