Es ist schon ein Kreuz mit dem Kreuz, diesem Zeichen christlichen Glaubens. In Schulen und Gerichtssälen sorgt es ob seines Daseins gelegentlich für Zoff und in Oberammergau, einst noch bekannterer Hochburg für christliche Devotionalien als heute, stehen die Kunden nicht mehr Schlange oder jedenfalls nicht mehr in so langer wie früher. Aber eines ist geblieben, das Kreuz eckt an! Positiv wie negativ. Es bringt Menschen ins Gespräch über das Wesentliche unseres Lebens.Und das ist gut so.
Da steht es nun an der Zufahrt zum Heimathaus, das alte und zugleich neue Kreuz. Gut sechzig Jahre ist es alt, aus Eichenholz gemacht und mit geschnitztem Kruzifixus, beides aus Oberammergauer Provienienz und damit von bestem Schnitzadel. 1953 als Grabkreuz geschaffen, äußerlich über die Jahre von Wind und Wetter gezeichnet, im Kern aber zäh und langlebig, hat das Kreuz seine Erdenbürgerin, auf deren Grab es stand, treu bewacht bis ihr Staub eins wurde mit der Graberde. Vielleicht waren es diese Zähigkeit und Kernigkeit, wie sie auch den Menschen hier gelegentlich nachgesagt wird, oder auch die Achtung, die das Kreuz hernach vor Vernichtung bewahrten, und es über Jahre einen Ruheort auf dem Dachboden des Heimathauses finden ließen, bis es 2018 durch kundigen Blick und Interesse aus dem Schlaf geweckt und ein Jahr später seiner wichtigen Nachfolgeaufgabe zugeführt wurde, künftig als Hofkreuz des Heimathofs zu dienen, über Wohl und Wehe des Hofs zu wachen und Bewohnern wie Besuchern und auch allen Vorübergehenden zum Segen zu sein. Mit handwerklichem Fleiß und Geschick restauriert und auf einen seine Bedeutung unterstreichenden eiszeitlichen Findlingsstein gesetzt, behütet das Kreuz nun den Hofeingang und alle, die hier ein- und ausgehen, lädt aber auch die Vorübergehenden zu Gebet und Besinnung und zum Verweilen ein.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein Ausspruch des österreichischen Dramatikers Franz Grillparzer ein, dessen kurzer und knapper Satz „Man hängt das Kreuz nicht ans Genie, nein, das Genie ans Kreuz!“ mich schon zu Schulzeiten beeindruckte und zugegebener Maßen auch intellektuell forderte. Fürs Hofkreuz würde ich es da schon eher mit dem Marterl-Spruch eines unbekannten alpenländischen Dichters halten: „Wo Kreuze stehn, da flammt das Licht. Da läßt sich Hoffnung fassen. Wo Kreuze stehn, da sind wir nicht vergessen, nicht verlassen.“
Hans-U. Feller