Auch in diesem Jahr fand der „Anradeln“ genannte Einstieg in die Fahrradsaison am zweiten Donnerstag im April statt, diesmal war es zudem der Gründonnerstag, der nach christlichem Verständnis das „Triduum Sacrum“, die drei österlichen Tage der Karwoche, einleitet. Die Radgruppe startete beim Heimathaus und fuhr in gemütlichem Tempo, auf das sich alle Teilnehmer auf Vorschlag des Tourenleiters geeinigt hatten, über Herbrum am Segelflugplatz vorbei zunächst in Richtung Borsum. Hans-Ulrich Feller, stv. Vorsitzender des Heimatvereins, hatte diesmal die Streckenauswahl getroffen und dabei verschiedentlich kurze Halte eingeplant, an denen er Wissenswertes, Interessantes und auch Kurzweiliges zu berichten wusste.
Ein erster Halt im Schatten der Borsumer Kirche galt einem bäuerlichen Gehöft, das bereits über viele Jahre eine große Mehlschwalbenkolonie mit ihren charakteristischen Nestern außerhäuslich am Stallgiebel beherbergt, leider mit abnehmender Tendenz. Die Schwalben als elegante Flieger und gute Insektenvertilger waren einst häufige und willkommene Sommergäste (Zugvögel) der Landwirte und gelten ihnen zudem als zuverlässige Wetterzeiger. Innerhäuslich waren hingegen die Rauchschwalben ebenso beliebt, die in den Ställen stets in Deckennähe ihre Nester bauten und denen als gute Flieger bereits ein gekipptes Stallfenster als Zugang genügt. Ihren Namen erhielt die Rauchschwalbe übrigens wegen ihrer Gewohnheit, durch die einstigen Rauchabzüge in den Giebeln alten Bauernkaten ein- und auszufliegen. Mit ein Grund für den merklichen Rückzug der Schwalben ist die auch in den Dörfern einsetzende und weiter fortschreitende Ordnungsliebe, die sich durch zunehmende Flächenversiegelungen und die dadurch seltener werdenden Pfützen bemerkbar macht und sich in den zunehmenden Gestaltungs- und Hygieneerfordernissen moderner Stallkonzepte der Viehhaltung zeigt.
Am Ortsausgang von Borsum bog die Gruppe der Radler dann in die Allee zum Friedhof ein. Er fällt durch seine ungewöhnlich großen Grabstätten und die schlichten Grabsteine auf, die andernorts oft in repräsentativen Ausführungen das Friedhofsbild prägen und manchen Rückschluss auf Stand und Status der bestatteten Personen zulassen (sollen).
Bei der Weiterfahrt durch die offene Feldmark, auf der Bauern eifrig mit der Frühjahrsbestellung ihrer Äcker beschäftigt waren, fiel der weite Blick der Radler zunächst auf die Borsumer Berge und nach kurzer Fahrt am Rande der Feldflur dann auf ein uraltes, steinernes Wegekreuz, das des Gründonnerstags aber auch seiner Besonderheit wegen zu einem weiteren Halt einlud. Die Borsumer nennen es mit Bezug auf die besondere örtliche Botanik das Kreuz am Maiglöckchenberg. Ein Pfarrer, der Mitte des vorigen Jahrhunderts auf einer seiner weitläufigen Fußwanderungen auf das Kreuz traf, nannte es noch einprägsamer das Maiglöckchenkreuz, weil ihn damals in der Umgebung des Kreuzes der intensive Duft blühender Maiglöckchen (Convallaria majalis) so berührte, dass er darüber später eigens in einem Reisebericht Kenntnis gab. Auch heute noch ist dieser Duft in der Maienzeit wahrnehmbar und bei bestimmten Wetterlagen auch in größerem Umkreis besonders intensiv. Den Radfahrern fielen zur jetzigen Jahreszeit die bereits überall sprießenden Triebe dieser (giftigen!) Duftpflanze und nach entsprechendem Hinweis auch die sonst eher selten und dort ebenfalls anzutreffenden und botanisch auch zur Familie der Spargelgewächse gehörenden Trieblinge des Salomonssiegels (Polygonatum odoratum) ins Auge. Verwechslungen mit dem Natur- und Kräuterfreunden bekannten Bärlauch (Allium ursinum) sind möglich! Der beim Zerreiben der Blätter entstehende Knoblauchgeruch des Bärlauchs weist aber wie schon der lateinische Name auf eine Verwandtschaft der Pflanze mit Knoblauch, Zwiebel und Schnittlauch hin.
Die Borsumer Berge zu besuchen und dabei mit keinem Wort auf deren in vielen Sagen beschriebenen eigentümlichen Bewohner einzugehen, ist schier undenkbar. So war es selbstverständlich, dass Feller einige Anekdoten zu den Aulken berichtete, jenen zipfelmützigen, zwergenhaften Gestalten, die in den Borsumer und auch Tunxdorfer Bergen zu Hause waren und in deren Umfeld ihr sagenumwobenes Wesen und Unwesen trieben, manchmal zur Freude, nicht selten aber auch zum Nachteil der umliegenden Bevölkerung.
Weiter führte die Radtour an abseits des Dorfes belegenen, aber oft individuell gestalteten Einzelgehöften vorbei und gelangte auf auffallend fahrradfreundlichen Feldstraßen und einem kurzen Stück unbefestigten Wirtschaftsweges zur neuen Vogelbeobachtungsstation am Flaarsee, die den meisten Radlern (noch) nicht bekannt war. Eine etwas längere Pause mit einer kleinen Stärkung aus dem mitgeführten Picknickkorb bot hinreichend Gelegenheit, etwas zur Geschichte und Entstehung des Sees (Autobahnbau) und der Station (Schautafeln) zu erfahren. Die zur bequemeren Vogelbeobachtung eigens in unterschiedlichen Höhen angebrachten Sehschlitze der seewärts ausgerichteten hölzernen Sichtschutzwand wurden ebenfalls erprobt. Schnell kam auch ein gegenseitiger Gedankenaustausch der Teilnehmer untereinander auf, in den auch ein größeres vor Ort befindliches und vorbildlich hergerichtetes Insektenhotel einbezogen wurde. Für einen künftigen Besuch wäre es sicher dienlich, in der Tourenausrüstung auch ein geeignetes Fernglas mitzuführen.
Die Rückfahrt bot über die weite Flur hinweg und bei dem an diesem Tag besonders eindrucksvollen Wolkenspiel nebst den herrschenden Lichtverhältnissen einen geradezu grandiosen Blick auf den Ort Rhede mit dem dominierenden „Rheder Dom“, wie die im Verhältnis zur Größe des Ortes eher überdimesioniert wirkende neue Rheder Kirche im Volksmund auch genannt wird. In Rhede angekommen, machte die Gruppe spontan noch einen Abstecher zum neu und gelungen umgestalteten Marktplatz mit der lebensgroßen Bronzeskulptur des regional unter dem Namen „Hellerbernd“ bekannten Borsumer Bildhauers Bernd Heller (1878-1937), der übrigens in der Aschendorfer Amanduskirche getauft wurde. Viele Denkmäler auf Friedhöfen, aber auch anderen Orts, insbesondere auch solche zum Gedenken an gefallene Soldaten, tragen seine unverwechselbare Handschrift.
Den letzten Tourenabschnitt von Rhede nach Aschendorf bewältigte die Gruppe der „Pedalritter“, wie sie sich als eine der aktiven Interessengruppen des Heimat- und Bürgervereins Aschendorf e. V. nennt, auf der historischen „Alten Rheder Straße“, die durch die im frischen Grün liegenden Emsauen führt und von einer stattlichen Allee fachgerecht gestutzter Kopfweiden (Salix viminalis) gesäumt wird. Die große Regenerationsfähigkeit der so behandelten Weiden ist übrigens bemerkenswert.
Über die Ellerloher Straße erreichte die Gruppe gegen 18.00 Uhr gutgelaunt und um einige Erfahrungen reicher wieder das Heimathaus, wo Feller sich für das Interesse und die Teilnahme bedankte und bereits zur nächsten Tour am zweiten Donnerstag im Mai (11.) einlud. Zusätzliche Terminhinweise gibt es in den Schaukästen am Marktplatz und in der Tageszeitung.