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Weihnachtsvorfreude einmal anders: Charles-Dickens-Festival in Deventer/NL

Es gibt viele Möglichkeiten, die Adventszeit zu gestalten. Dazu gehören zumeist auch Besuche der aller Orten anzutreffenden Weihnachtsmärkte. Eine andere Möglichkeit vorweihnachtlicher Freude bietet indes ein Blick über die Landesgrenze hinweg, verbunden mit dem Besuch des alljährlich an zwei Tagen im Dezember in Deventer/Niederlande stattfindenden „Charles-Dickens-Festijn“.

In bereits über zwanzigjähriger Tradition wird dann die Erinnerung an diesen  britischen Schriftsteller von großer literaturgeschichlicher Bedeutung, seine Zeit des 19. Jahrhunderts und seine Romanfiguren gepflegt. An den beiden Festivaltagen steht Deventer im Dickens-Fieber quasi Kopf! Rund 1.000 historisch gewandete Personen verkörpern die damaligen Stände der britischen Heimat des berühmten Autors, angefangen beim englischen Adel, über das etablierte Bürgertum bis hin zu Dirnen und gelegentlich dem Alkohol im Übermaß zusprechendes Gesindel bevölkern die Straßen und Gassen im Zentrum der Stadt und verbreiten in gekonnt schauspielernder Manier einen ganz besonderen Charme. Diese besondere Atmosphäre ist es, die alljährlich für über 100.000 (!) Besuchern eine Augenweide ist, die ihresgleichen sucht und überdies Fotofreunden eine Fülle besonderer Motive beschert.

Zudem besticht die Veranstaltung durch freien Eintritt und eine bis in die Details hinein als hervorragend zu lobende Organisation, die es schafft, dass sich die Besucher in das Zeitalter von Dickens mit allen  Facetten damaligen Stadtlebens mitgenommen fühlen und sich nicht als bloße Zuschauer eines Massenspektakels wähnen. Einige Eindrücke dazu vermitteln die in meinen Bericht eingefügten Fotos, die allerdings die dargebotene Vielfalt des Geschehens nur andeutungsweise widerspiegeln können.

Ein zeitgleich zum Festival ebenfalls im Zentrum von Deventer stattfindender Wochen- und Weihnachtsmarkt, der eigens durch einen Bauzaun vom Festivalgeschehen getrennt ist, aber ebenfalls unkompliziert mit besucht werden kann, lässt Weihnachtsvorfreude der gewohnten Art aufkommen und lädt zu einem Bummel ein, den, wer mag, noch durch einen Gang durch die weihnachtlich dekorierten Geschäftsstraßen fortsetzen kann. An gastlichen Orten zur Einkehr mangelt es nicht, weder im Außenbereich noch im Innern der zahlreichen gastronomischen Möglichkeiten, die die Stadt bietet, und die nicht nur fußmüde gewordene Besucher bei einer Pause und zur Stärkung zu schätzen wissen.

Alles in allem: Das Charles-Dickens-Festival ist ein romantisches und bezauberndes vorweihnachtliches Erlebnis eigener Art und auf jeden Fall eine (Tages-) Reise – auch mit größeren Kindern – ins Nachbarland wert, die vielfach auch als Bustouren angeboten wird. Wer das Ereignis bisher nicht kannte oder den Termin in diesem Jahr verpasst hat, sollte sich bereits jetzt den 19./20. Dezember für 2020 im Kalender vormerken und darf sich auf einmaliges Erlebnis freuen!

Hans-U. Feller

Wenn der Bischof ruft …

In der Adventszeit 2019 unternahmen Mitglieder des historischen Arbeitskreises im Heimatverein Aschendorf-Hümmling e.V., dem Dachverband der örtlichen Heimatvereine im nördlichen Emsland, eine Studienfahrt nach Osnabrück. Der historische Arbeitskreis trifft sich  im Winterhalbjahr immer an Samstagvormittagen im „Bürgerhaus Alte Schule“ in Niederlangen zu Arbeitsgesprächen, in denen sich die Teilnehmer mit regionaler und lokalerGeschichte allgemein, aber auch mit Spezialthemen und der Erweiterung der Kenntnisse im Lesen und der Deutung alter Handschriften und Urkunden befassen. Seitens des HBV gehören dem Arbeitskreis Gerd Harpel und Hans-Ulrich Feller an.

Veranlassung für den Besuch Osnabrücks gab das Teilnehmerinteresse an einer Besichtigungdes Diözesanarchivs. Dessen Leiter Dr. Georg Wilhelm entsprach diesem Wunsch auf Anfrage gern und gab in einem gut zweistündigen Archivrundgang gut strukturiert und kenntnisreich Einblicke in das Archivwesen und seine Arbeit. Wilhelm bezeichnete das Archiv salopp als „das Gedächtnis des Bistums“, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass bereits aus Platzgründen nur rd. 20% des anfallenden Schriftguts als archivwürdig eingestuft werden und schließlich in säurefreien Archivboxen und -hüllen landen, die wiederum in großen, platzsparenden Rollregalanlagen gut gesichert und geschützt gelagert werden. Die Einhaltung und Überwachung normierter Luftfeuchte- und Temperaturwerte ist dabei unerlässlich. Selbst eine Besuchergruppe hat Auswirkungen und bewirkt bereits eine Änderung der Klimawerte.

Älteste Urkunden des Archivs datieren aus der Zeit Karls des Großen. Sie werden einzeln und besonders sorgfältig unter Lichtausschluss gelagert und nur wenn nötig und auch dann nurkurz dem Tageslicht ausgesetzt und dürfen wegen der Schweissabsonderungrn der Hände nur fachgerecht mit Archivhandschuhen aus weißer Baumwolle berührt werden. Interessant auch der Hinweis, dass es bereits in früherer Zeit in den damaligen Skriptorien in durchaus auch größerem Stil zu nachträglichen Fälschungen von Urkunden gekommen ist, zumeist um dadurch günstigere Rechtspositionen vorzutäuschen.

Für viele Teilnehmer interessant waren Hinweise, dass die Kirchenbücher der zum Bistum gehörenden Pfarreien nunmehr auch digitalisiert und online zur Verfügung stehen und ergiebige Fundgruben besonders für die Familienforscher darstellen. Darüber hinaus steht das Archiv  für die wissenschaftliche und auch die heimatkundliche Forschung offen und verfügt dafür eigens über einen mit der notwendigen Technik ausgestatteten Leseraum. 

Persönliche Besuche des Bischofs im Archiv sind eher selten und blieben bisher auf repräsentative Anlässe beschränkt, erläuterte Dr. Wilhelm auf eine Teilnehmernachfrage.Sofern der Bischof  Archivmaterial einsehen möchte, melde er sich und lässt sich die Akten vorlegen.

Nach einem anschließenden Mittagsspaziergang über den Weihnachtsmarkt auf dem Domvorplatz und im Schatten der ev. Marienkirche traf sich die Gruppe am Nachmittag vor dem Dom zu einer Führung mit Sr. Margaretha Maria Brand, aus Heede stammend und ehemals Generaloberin der Thuiner Franziskanerinnen, die gleichermaßen kenntnisreich und unterhaltsam baugeschichtliche Bedeutsamkeiten und künstlerische Besonderheiten der Innenausstattung der Bistumskathedrale erläuterte. Dabei durften der Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der beiden Westtürme und ein Blick auf die imposante Fensterrose über dem Westportals des Doms nicht fehlen. Ein Blick auf die in den Vorplatz des Doms eingelassene Bronzeplatte zur Erinnerung an den am Tage seiner Bischofsweihe 1957 dort verstorbenen Franziskus Demann  weckte Erinnerungen an den als „Bischof für einen Tag“ in die Bistumsannalen von Osnabrück eingegangenen Oberhirten und macht auch heute noch nachdenklich. 

Als älteste Ausstattungsstücke des Dominventars nannte Sr. Margaretha Maria die bronzene Taufe von 1220, die sie in der eigens aufgeschlossenen Taufkapelle eingehend erläuterte, und das imposante und ausladend große Triumpfkreuz von 1230 über dem Chorraum. Kenntnisreiche Erläuterungen zu der Bronzebüste des 1988 seliggesprochenen Niels Stensen und das auf dem Kopf stehende bronzene Wandkreuz mit den Reliefs der vier Lübecker Märtyrer im Querbalken vervollständigten die Betrachtung der Statuen und Gedenktafeln. Ebenfalls detaillierte und interessante Hinweise auf das aus sechs Glocken bestehende Vollgeläut des Doms und die beeindruckende Orgel mit der im Nachmittagslicht leuchtendenFensterrose im Hintergrund beeindruckten die aufmerksamen Teilnehmer ebenfalls.

Der als Klappaltar konstruierte Hochaltar und sein goldstrahlender Bilderzyklus fanden ebenso ausführliche Würdigung wie der Bischofssitz und das Chorgestühl mit verwunderlichen Schnitzfiguren. Die eingehende Besichtigung und Erläuterung der künstlerischen Ausgestaltung der Sakramentskapelle gab den Teilnehmern neue Einblicke,und der anschließende Rundweg durch den Chorumgang mit der Besichtigung der Grablegen der  Bischöfe und dem Blick auf die Kapelle, in der die Kannen mit den heiligen Ölen aus der sog. Chrisam-Messe des Gründonnerstags aufbewahrt werden, rundete das beeindruckende Erlebnis dieser besonderen Domführung  ab.

Hans-U. Feller

Hamburg – Hummel, Hummel – Mors, Mors!

Reiseanmerkungen zur Studienfahrt 2018 des HBV

Ihrem Ruf, das Tor zur Welt zu sein, macht die Seehafenstadt alle Ehre und schmückt sich zu Recht mit diesem Slogan, der Weltoffenheit ausdrückt. Ein Erlebnis der Marke „unvergesslich“ lautete das übereinstimmende Resümee der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der dreitägigen Studienfahrt des HBV 2018 in die Freie und Hansestadt an der Elbe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was nun veranlasste die Reiseteilnehmer, von denen viele die Elbmetropole bereits von einem früheren, oft aber bereits länger zurückliegenden Besuch, her kannten, zu dieser Einschätzung? Da war zunächst der erste Eindruck, für den es, auch bei Städten, wohl keine zweite Chance zu geben scheint. Und dieser erste Eindruck war es, der überraschend viele positive Aspekte vermittelte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das betraf die überall wahrzunehmende rege Bautätigkeit sowohl im Hoch- als auch im Tiefbau und zeigte sich in  fertigen oder zumindest weitestgehend fertigen Projekten wie der beeindruckenden HafenCity. Und natürlich trug auch die Elbphilharmonie, das neue kulturelle Hamburger Wahrzeichen und inzwischen weltbekannte Vorzeigeprojekt dazu bei, das von den Hamburgern, die sich langsam mit den enormen Kosten dieses international einzigartigen Konzerthauses versöhnt haben, inzwischen gern und liebevoll auch Elphi genannt wird. Ein Highlight bildete auch die hervorragend restaurierte und auch optisch sehr gelungen herausgeputzte Speicherstadt in ihrer historischen Klinkerarchitektur, die inzwischen zum Weltkulturerbe geadelt wurde. Und nicht zuletzt leistete auch das auffallend saubere Stadtbild seinen Beitrag zu unserem guten ersten Eindruck von der Hansestadt, der sich später noch verfestigen sollte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine kompetent und unterhaltsam geleitete Stadtrundfahrt, angereichert mit Ausstiegspunkten bei besonderen Sehenswürdigkeiten, vermittelte ein mit Höhepunkten gespicktes und detailreiches Erlebnis hamburgischer Lebensart an einem hochsommerlich geprägten Freitagnachmittag. Der durch seine äußere wie innere Architektur beeindruckende „Michel“, wie Hamburgs bekannte Hauptkirche St. Michaelis allgemein genannt wird, das Leben und Treiben an den Landungsbrücken und im Hafen und ein kurzer Abstecher in die Krameramtsstuben waren nur einige der in den Focus genommenen Besonderheiten und Akzente. Die Krameramtsstuben gleich unterhalb der Michaeliskirche boten Witwen von verstorbenen Mitgliedern des Krameramts, eines zunftartigen Zusammenschlusses von Kleinhändlern, Freiwohnungen. Die bis um 1700 gebauten Fachwerkhäuser bilden heute die letzte geschlossene Hofbebauung in Hamburg und versetzen den Besucher in eine andere Zeit, wenn er diesem Kleinod hamburgischer Kultur wenigstens einen Kurzbesuch abstattet, bevor er wieder in den Bus steigt.

Trotz vollen, aber gut durchorganisierten Zeitplans blieb genügend Gelegenheit, sich bei Bedarf hier und da bei einer Kaffeepause in einem der zahlreichen Cafés zu erholen, was sowohl witterungsbedingt angebracht als auch konditionsmäßig von Vorteil war.

Dem Glanzpunkt neuerer Hamburger Baukunst, der architektonisch dem Wellengang – einschließlich Gischtkrone darauf optisch nachempfundene gläserne Baukörper der Elbphilharmonie, in einem eigenen Programmpunkt unsere Referenz zu erweisen, war nicht nur angemessen, sondern auch hochinteressant. Der faszinierende Rundblick über Hafen und Stadt sowie der Blick hinter die Kulissen und eine Fülle wissenswerter Besonderheiten zum Gebäude, speziell zur allseits gelobten ausgezeichneten Akustik, und zu vielen anderenBaudetails zogen die Besuchergruppe immer wieder in ihren Bann. So fand auch die Frage eines aufmerksamen Reiseteilnehmers eine kompetente Antwort, warum sich am gesamten Gebäudekomplex mit seinen vielen bei Vögeln sonst beliebten Ecken, Kanten und Freiflächen auffälligerweise keine der im Hafen allgegenwärtigenwen oder sonstige Vertreter der Vogelwelt ein Stelldichein geben. Des Rätsels Lösung liegt in kaum auffallenden, aber an vielen Stellen des Gebäudes montierten, rotierenden, oblatenförmigen Sendern, die Hochfrequenztöne ausstrahlen, wie Vögel sie gar nicht mögen, und die so der Vogelabwehr durch Vergrämung und vor allem auch der Prävention vor unerwünschten Hinterlassenschaften etwaiger geflügelter Gäste dienen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nicht fehlen darf bei einem Hamburgbesuch natürlich der Blick auf und in Hamburgs beste Stube, das im Neorenaissance-Stil erbaute prächtige Rathaus mit imposanter Fassadenzier und einem gut 110m hohen Uhrenturm mit vergoldetem Reichsadler an der Spitze. Einmalig und besonders ansehenswert ist auch der Fassadenschmuck mit den Bronzebüsten von Kaisern und Königen des alten deutschen Reiches und der Vielzahl an Charakterbüsten von Vertretern bürgerlicher Berufe auf den Fensterüberdachungen. Sehens- und nachdenkenswert sind auch die bewusst oberhalb der gekrönten Häupter angebrachten Darstellungen der bürgerlichen Tugenden. Ihre Platzierung dort soll die Freiheit der Stadt gegenüber der Krone versinnbildlichen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Abstecher ins Innere des Rathauses, wohin man – bei solcher Art Repräsentationsbauten nicht eben selbstverständlich ebenerdig durch ein kunsthandwerklich herausragend gestaltetes schmiedeeisernes Tor gelangt, gibt den Blick in die Turmhalle und die sich anschließende große Säulenhalle frei. Die angemerkte Ebenerdigkeit der Hallen hat übrigens nicht nur architektonische Gründe, sondern steht vor allem für den Stolz und das Selbstbewusstsein der Hamburger, wonach es einem Bürger der Stadt nicht zugemutet werden sollte, zu den Stadtoberen im Rathaus hinaufsteigen zu müssen. Man legte Wert auf eine Begegnung auf Augenhöhe.

 

Einen abwechslungsreichen, eher kurzweiligen und zum Staunen angelegten Reisehöhepunkt bildete der nachmittägliche Besuch des Speicherstadt genannten und beeindruckenden riesigen Komplexes ehemaliger, mehrstöckiger Lagergebäude, die früher der Duft exotischer Gewürze, reifer Bananen und persischer Teppiche durchzog, und die, von der Lagerung letzterer abgesehen, heute zumeist ganz anderen Zwecken dienen. So war unser Ziel das „Miniatur Wunderland Hamburg“, das über mehrere Ebenen eines Lagerhauses der Speicherstadt eine Modelleisenbahn-Ausstellung der Superlative betreibt, deren offensichtliche Beliebtheit sich schon beim Blick auf die bis weit vor den unscheinbaren Eingang reichende Besucherschlange erahnen lässt. Der Wagen eines geschäftstüchtigen Eisverkäufers, der gleich neben der Besucherschlange offenbar recht gute Umsätze tätigte, ließ daran denken, dass es Hamburger Kaufmannstalent entspricht, umsatzgeeignete Situationen zu erkennen und sie, wenn und wo immer möglich, in bare Münze umzuwandeln.

„Pfeffersäcke“ nannte man einst die vor allem durch den Handel mit Gewürzen reich gewordenen hanseatischen Kaufleute. Heute durchzieht die in ehemaligen Lagerhäusern untergebrachten weitläufigen Ausstellungsräume mit den darin imponierend realistisch nachgebildeten Landschaften, Städten und einer detailreich nachempfundenen Infrastruktur aus Straßen, Brücken, Fabriken, Flughäfen, Bahnhöfen und Rummelplätzen mit Riesenrad und sich drehenden Karussells der Duft von Technik, Elektronik und Modellbaukleber. Insgesamt ein Paradies nicht nur für Kinder und Modellbahnfreunde, sondern für alle, die des Staunens fähig sind oder es wieder lernen möchten. Interessierte Besucher könnten hier, wenn sie nicht wie wir dem präzise getakteten Programm einer Städtereise folgten, nicht nur Stunden verbringen, sondern ohne die Gefahr aufkommender musealer Langeweile befürchten zu müssen, auch tagelang verweilen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hamburg erleben heißt auch, immer wieder in die Kultur der Stadt ein– oder, in diesem Fall treffender formuliert, abzutauchen, zu der – jedenfalls im weiteren Sinne – auch St. Pauli und die Reeperbahn gehören. Gelegenheit dazu bot von der Tageszeit her und auch kulinarisch die Einnahme des Abendessens im „Hamborger Veermaster“, einem urigen und amüsanten Reeperbahnlokal mit Pannfisch und anderen herzhaften lokalen Leckerbissen auf der Speisekarte und stimmungsfördernder Hintergrundmusik als Beigabe. Dass die Reeperbahn einst das Gewerbe der Seildreher und Reepschläger mit ihren langen Seilbahnen zur Herstellung der Schiffstaue beherbergte und ihren Namen von den „Reep“ genannten Tauen herleitet, hörte mancher, der die Straße bisher nur als Amüsiermeile kannte, auf dieser Studienreise zum ersten Mal. Reisen bildet eben (auch)!

Ein sich anschließender spätabendlicher Spaziergang über diese oft und je nach Ansicht und individuellem Besuchszweck als sündigste Meile der Hansestadt gepriesene oder verschriene Straße rief besonders bei einigen männlichen Spaziergängern unserer Reisegruppe Erinnerungen an frühere Erfahrungen wach und verhalf zu der allgemein geteilten Meinung, dass der frühere Reiz des Verbotenen und Verruchten und allgegenwärtiger sexueller Angebote im Zeitalter eines allgemein offeneren Umgangs mit Sexualität und der einfachen Zugriffsmöglichkeiten auf die Internetpornographie auch hier nicht folgenlos geblieben ist. Sextoys, wie das Zubehör fürs Liebesleben heute genannt und als unverzichtbar vermarktet wird, und gelegentlich eine Schaufensterauslage auch mit Schusswaffen, rauben heute kaum jemandem noch Sinn und Verstand. Die sich heute gegenüber früher sexualisierter darbietende Umwelt, in der Internetempfang bis hinauf in die kleinste Almhütte reicht und auf jeder noch so abgelegenen Hallig möglich ist, macht es für das einschlägige Gewerbe nicht gerade leichter, an Kundschaft zu gelangen. Da wird dann auch schon mal alten Zeiten auf dem Kiez nachgetrauert. Die Reeperbahn ist geblieben, was sie immer war: Publikumsmagnet, aber dem Wandel der Zeit und einer veränderten Kundschaft mit wechselnden Gewohnheiten und Bedürfnissen unterworfen. Wer hätte früher auch nur geahnt, dass ein führender Flensburger Erotikkonzern einmal nicht mehr wie eine Eins stehen, sondern seine Standhaftigkeit einbüßen und in die Bedeutungslosigkeit einer Konkursfirma fallen könnte. Drum sei’s, schön war es doch! Damals. Und heute: die Lichtreklame immer noch wie eh und je aufreißerisch grell und bunt, was besonders abends zur Geltung kommt, aber mit weniger Reiz für ein Publikum aus See- als vielmehr Sehleuten. Allerdings stand bei den Herren die kulturelle Betrachtung des Phänomens Reeperbahn diesmal sehr viel stärker im Focus als ehemals. Geändertes Alter, gewandelte An- und auch Einsichten und wohl auch reduzierte Möglichkeiten mögen der Grund dafür sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Milieuwechsel! Er ist einem schönen Sonntagmorgen am letzten Reisetag geschuldet und in Hamburg auch problemlos möglich. Die wegen eines Radrennens großräumig abgesperrte Innenstadt erinnert daran, dass die Großstadt lebt und bald pulsiert. Es ist immer etwas los. Die Busfahrt nach „Planten un Blomen“, Hamburgs Grüner Lunge mitten im Herzen der Stadt, lässt uns diese morgendliche Oase der Ruhe zwar etwas später, aber nicht mit weniger Vorfreude erreichen. Eingangs noch schnell das obligatorische Gruppenfoto für die heimatliche Vereinschronik geschossen, trennen sich die Wege anschließend je nach persönlicher Vorliebe in alle Himmelsrichtungen des weitläufigen Parks mit dem allseits sichtbaren Fernsehturm im Zentrum. Strebten die einen dem erlebenswerten Rosengarten mit seinem Duft und vielen Farben zu, hatten es andere auf den eleganten Japanischen Garten abgesehen, der, ganz in Grün, vor allem durch seine kunstvoll bearbeiteten Formgehölze punktet. Auch der akribisch gestaltete Apothekergarten und viele weitere gärtnerisch vollendet gestaltete Themengärten fanden ihre Liebhaber und begeisterten besonders die einschlägig botanisch interessierten Reisefreunde.

Ich erinnerte mich bei meinem Spaziergang durch die breit gefächerte Botanik auch daran, dass ich dieses im übrigen ebenfalls blitzsaubere Grüngelände zuletzt 1963, damals noch Schüler und als solcher auf Klassenfahrt und Besucher der IGA Hamburg 1963“, der Internationalen Gartenausstellung, betreten habe. Im Gegensatz zum Reeperbahneindruck des Vortages und der Entwicklung auf dem Kiez bin ich hier positiv überrascht, wie prächtig sich das Gelände vom damals weitgehend noch jungem Bewuchs im Laufe von gut 50 Jahren hin zu einem gediegenen, aber überaus reizvoll gebliebenen, vielseitigen Park- und Freizeitgelände – und man staune – in hervorragendem Erhaltungs- und Pflegezustand  entwickelt hat.

Und eine weitere Begebenheit erinnert mich an die IGA 1963, wenn ich auf den damals hoch oben ein Restaurant beherbergenden Fernsehturm schaue. Dort in luftiger Höhe und bei bestem Blick auf das Gartenschaugelände gab es ein bei Schülern beliebtes, aber leider nicht immer magenverträgliches Wettessen von Kuchen mit nachfolgendem Siegereintrag in ein eigens dafür ausliegendes Buch. Heute, gut ein halbes Jahrhundert später, würde ich bestimmt nicht mehr gewinnen und der besseren Ein– und angemessener Vorsicht wegen wohl auch nicht mehr am Wettessen teilnehmen (können). Und trotzdem: Schön war es doch! Und an Magenprobleme erinnere ich mich nicht oder zumindest nicht mehr. Jugendlicher Leichtsinn hat manchmal eben seinen eigenen Reiz und möchte dann auch unbedingt ausgelebt sein!

Woran ich mich gewiss auch später noch gern erinnern werde, ist unsere Städtetour und ein Hamburg des Jahres 2018, das sich uns nicht nur wettermäßig von seiner besten Seite zeigte. Kein bisschen verstaubt, der Zukunft zugewandt, innovativ, mit viel maritimem Charme, eben eine ganz besondere Stadt – und sehr sauber.

Am Schluss steht nur noch die – einer Bildungsreise geschuldete Erläuterung der in der Überschrift genannten Grußformel aus, mit der sich (früher) Hamburger in der Fremde begrüßten. Sie geht wohl auf Hans Hummel, in den 1850er Jahren Wasserträger in der Hamburger Neustadt, zurück. Die Antwort „Mors, Mors!“ bezeichnet dabei in niederdeutscher Sprache das auf hochdeutsch mit A als Anfangsbuchstaben beginnende Heckteil in der menschlichen Anatomie.

Hans-U. Feller