In der Adventszeit 2019 unternahmen Mitglieder des historischen Arbeitskreises im Heimatverein Aschendorf-Hümmling e.V., dem Dachverband der örtlichen Heimatvereine im nördlichen Emsland, eine Studienfahrt nach Osnabrück. Der historische Arbeitskreis trifft sich im Winterhalbjahr immer an Samstagvormittagen im „Bürgerhaus Alte Schule“ in Niederlangen zu Arbeitsgesprächen, in denen sich die Teilnehmer mit regionaler und lokalerGeschichte allgemein, aber auch mit Spezialthemen und der Erweiterung der Kenntnisse im Lesen und der Deutung alter Handschriften und Urkunden befassen. Seitens des HBV gehören dem Arbeitskreis Gerd Harpel und Hans-Ulrich Feller an.
Veranlassung für den Besuch Osnabrücks gab das Teilnehmerinteresse an einer Besichtigungdes Diözesanarchivs. Dessen Leiter Dr. Georg Wilhelm entsprach diesem Wunsch auf Anfrage gern und gab in einem gut zweistündigen Archivrundgang gut strukturiert und kenntnisreich Einblicke in das Archivwesen und seine Arbeit. Wilhelm bezeichnete das Archiv salopp als „das Gedächtnis des Bistums“, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass bereits aus Platzgründen nur rd. 20% des anfallenden Schriftguts als archivwürdig eingestuft werden und schließlich in säurefreien Archivboxen und -hüllen landen, die wiederum in großen, platzsparenden Rollregalanlagen gut gesichert und geschützt gelagert werden. Die Einhaltung und Überwachung normierter Luftfeuchte- und Temperaturwerte ist dabei unerlässlich. Selbst eine Besuchergruppe hat Auswirkungen und bewirkt bereits eine Änderung der Klimawerte.
Älteste Urkunden des Archivs datieren aus der Zeit Karls des Großen. Sie werden einzeln und besonders sorgfältig unter Lichtausschluss gelagert und nur wenn nötig und auch dann nurkurz dem Tageslicht ausgesetzt und dürfen wegen der Schweissabsonderungrn der Hände nur fachgerecht mit Archivhandschuhen aus weißer Baumwolle berührt werden. Interessant auch der Hinweis, dass es bereits in früherer Zeit in den damaligen Skriptorien in durchaus auch größerem Stil zu nachträglichen Fälschungen von Urkunden gekommen ist, zumeist um dadurch günstigere Rechtspositionen vorzutäuschen.
Für viele Teilnehmer interessant waren Hinweise, dass die Kirchenbücher der zum Bistum gehörenden Pfarreien nunmehr auch digitalisiert und online zur Verfügung stehen und ergiebige Fundgruben besonders für die Familienforscher darstellen. Darüber hinaus steht das Archiv für die wissenschaftliche und auch die heimatkundliche Forschung offen und verfügt dafür eigens über einen mit der notwendigen Technik ausgestatteten Leseraum.
Persönliche Besuche des Bischofs im Archiv sind eher selten und blieben bisher auf repräsentative Anlässe beschränkt, erläuterte Dr. Wilhelm auf eine Teilnehmernachfrage.Sofern der Bischof Archivmaterial einsehen möchte, melde er sich und lässt sich die Akten vorlegen.
Nach einem anschließenden Mittagsspaziergang über den Weihnachtsmarkt auf dem Domvorplatz und im Schatten der ev. Marienkirche traf sich die Gruppe am Nachmittag vor dem Dom zu einer Führung mit Sr. Margaretha Maria Brand, aus Heede stammend und ehemals Generaloberin der Thuiner Franziskanerinnen, die gleichermaßen kenntnisreich und unterhaltsam baugeschichtliche Bedeutsamkeiten und künstlerische Besonderheiten der Innenausstattung der Bistumskathedrale erläuterte. Dabei durften der Hinweis auf die Unterschiedlichkeit der beiden Westtürme und ein Blick auf die imposante Fensterrose über dem Westportals des Doms nicht fehlen. Ein Blick auf die in den Vorplatz des Doms eingelassene Bronzeplatte zur Erinnerung an den am Tage seiner Bischofsweihe 1957 dort verstorbenen Franziskus Demann weckte Erinnerungen an den als „Bischof für einen Tag“ in die Bistumsannalen von Osnabrück eingegangenen Oberhirten und macht auch heute noch nachdenklich.
Als älteste Ausstattungsstücke des Dominventars nannte Sr. Margaretha Maria die bronzene Taufe von 1220, die sie in der eigens aufgeschlossenen Taufkapelle eingehend erläuterte, und das imposante und ausladend große Triumpfkreuz von 1230 über dem Chorraum. Kenntnisreiche Erläuterungen zu der Bronzebüste des 1988 seliggesprochenen Niels Stensen und das auf dem Kopf stehende bronzene Wandkreuz mit den Reliefs der vier Lübecker Märtyrer im Querbalken vervollständigten die Betrachtung der Statuen und Gedenktafeln. Ebenfalls detaillierte und interessante Hinweise auf das aus sechs Glocken bestehende Vollgeläut des Doms und die beeindruckende Orgel mit der im Nachmittagslicht leuchtendenFensterrose im Hintergrund beeindruckten die aufmerksamen Teilnehmer ebenfalls.
Der als Klappaltar konstruierte Hochaltar und sein goldstrahlender Bilderzyklus fanden ebenso ausführliche Würdigung wie der Bischofssitz und das Chorgestühl mit verwunderlichen Schnitzfiguren. Die eingehende Besichtigung und Erläuterung der künstlerischen Ausgestaltung der Sakramentskapelle gab den Teilnehmern neue Einblicke,und der anschließende Rundweg durch den Chorumgang mit der Besichtigung der Grablegen der Bischöfe und dem Blick auf die Kapelle, in der die Kannen mit den heiligen Ölen aus der sog. Chrisam-Messe des Gründonnerstags aufbewahrt werden, rundete das beeindruckende Erlebnis dieser besonderen Domführung ab.
Hans-U. Feller