Heimatfreunde interessieren sich nicht selten auch für historische Sachen. Die einen erkunden dabei gern die Verwendung und den Gebrauch der Gerätschaften, andere wiederum sind kunstinteressiert und möchten gern ein historisches Stück erwerben. Beiden Gruppen gemeinsam ist, dass ihr Interesse vornehmlich den Originalen gilt. Diese sicher zu erkennen ist allerdings nicht immer einfach und erfordert Kenntnisse und praktische Erfahrungen.
Besonders dann, wenn es sich um beliebte und deshalb aktuell stark nachgefragte Stücke handelt, deren Erwerb als Original nicht immer billig ist, muss der potentielle Kunstfreund damit rechnen, auch auf Nachahmungen und Fälschungen zu stoßen. Deren Bandbreite reicht dann oft von plumpen bis zu Fälschungen, die weder auf den ersten und manchmal auch noch nicht den zweiten Blick als solche erkennbar sind. Richtig ärgerlich wird es, wenn sich erst nach dem Kauf herausstellt, dass das teuer oder sogar vermeintlich unverhältnismäßig billig erstandene Stück bestenfalls vielleicht schön, aber eben leider nicht echt und deshalb auch den ausgehandelten „Supersonderpreis“ nicht wert ist.
Beispiele gibt es viele. Da wären z. B. die alten und heute als Dekogegenstände beliebten Holzmodeln, mit denen ehedem jahrzehntelang in Handarbeit Spekulatiusgebäck hergestellt wurde, die allerdings immer rarer werden, aber trotzdem auf fast jedem und besonders einem adventlichen Flohmarkt feilgeboten werden. Leider sind es oft keine Originale, sondern Modeln jüngster Herstellung mit einer auch noch täuschend echt aussehenden Alterungsoptik. Diese Modeln haben weder jemals eine Bäckerei von innen gesehen, noch haben die Schnitzbilder je der Ausformung des schönen und leckeren Gebildgebäcks gedient.
Aber auch Plagiate anderer Art haben in der bevorstehenden Weihnachtszeit Hochkonjunktur. Die Zeiten, da man sicher sein konnte, dass Nussknacker, Räuchermännchen und ähnliche der Weihnachtsstimmung förderliche Artikel immer Zeichen qualitätsvoller erzgebirgischer Volkskunst waren, sind leider vorbei. Täuschend ähnliche Produkte aus anderen Regionen und vor allem solche fernöstlicher Herkunft überschwemmen geradezu den lukrativen Markt und sind nicht selten preislich Renner, die den Originalen aus dem Erzgebirge das Leben und den Absatz schwerer machen. Wer Originales schätzt, auf Qualität Wert legt und „Supersonderpreise“ eher skeptisch sieht, sollte deshalb unbedingt auf den erzgebirgischen Herkunftsnachweis an der Figur und die neuerdings eingeführten Aufkleber „Original statt Plagiat“ achten. Aber: Qualität hat auch hier ihren Preis!
Am Beispiel zweier barocker Engelfiguren soll nun aufgezeigt werden, wie nah Original und Nachahmung beieinander liegen können. Beide meiner Figuren gleichen sich, abgesehen von den unterschiedlichen Musikinstrumenten in den Händen, sehr und lassen zumindest auf den ersten Blick und bis hin zu Feinheiten wie den auf gleiche Weise in das Figurenmaterial eingelassenen Aufhangsösen gleiche Provenienz und auch Wertigkeit vermuten.
Erst bei ganz genauem Hinsehen tun sich dann doch Unterschiede auf, die leise Zweifel an der zunächst angenommenen Gleichwertigkeit beider Figuren aufkommen lassen. Während die Engelfigur mit der Mandoline eine deutlich vertikal verlaufende Holzstruktur aufweist, fehlt der Figur mit der Harfe diese Strukturierung weitgehend. Die Figur mit Harfe wirkt bei fast identischer Farbfassung zudem leicht glänzender und fühlt sich in der Hand zudem schwerer an, was die Waage mit einem um rd. 40 g höherem Gewicht bestätigt. Ein merkbarer Gewichtsunterschied gleicher Figuren lässt meist auf eine Werkstoffverschiedenheit schließen, in diesem Fall ist es die Verwendung von Polyresin, einen durch Kunstharz gebundenen Werkstoff, der in flüssiger Form verarbeitet wird und nach Aushärtung und Endbearbeitung Echtholzfiguren täuschend ähnlich sieht. Um diesen Eindruck der Echtholzverarbeitung noch zu verstärken, bediente man sich eines weiteren Kunstkniffs und versah die plane Rückseite der Wandfigur mit einer furnierähnlichen, also sehr dünnen, Echtholzauflage, die den Käufer glauben machen soll, eine deutlich wertvollere (und damit teurere) geschnitzte Holzfigur erworben zu haben. Erkennbar wird diese trickreiche Variante erst an der nicht überall konturgenau geglückten Kantenbearbeitung der Furnierauflage, die aber kaum und wohl nur einem mit Schnitzarbeiten vertrauten Betrachter ins Auge fällt.
So vorgewarnt und gestärkt, sollten Sie Gewinner und nicht Opfer des zu erwartenden Weihnachtstrubels 2019 werden und keinen Grund haben, sich später zu ärgern. Und ein letzter Tipp: Nehmen Sie sich Zeit und nach Möglichkeit noch jemanden mit, denn vier Augen sehen mehr als zwei! Vertrauen Sie auch Ihrem Bauchgefühl, wenn es Ihnen vom Kauf abrät!
Hans-U. Feller